Paul Fausel – Freiheitssentzug aufgrund politischer Gegnerschaft

von Anne Schaude, 2018

Paul Fausel wurde im Jahr 1899 in Nürtingen geboren. Im Jahr 1915 meldete sich der damals 16-Jährige als Kriegsfreiwilliger zum Ersten Weltkrieg. Er kam zum Reserve-Infanterie-Regiment 248, kämpfte bis August 1918 an der Front und geriet in englische Gefangenschaft.

 

Im Jahr 1921 heiratete er Emma Sch., die ein Kind mit in die Ehe brachte. Die beiden gemeinsamen Kinder, die 1922 und 1924 geboren wurden, starben im Kleinkindalter (1). Er übte den Beruf des Werkzeughärters aus, war dann von 1930 - 1931 arbeitslos und wurde bis 1932 zu Notstandsarbeiten eingesetzt (2).

Seit 1925 war Paul Fausel Mitglied der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD), seit Herbst 1932 Mitglied, dann auch Führer des Kampfbundes gegen den Faschismus (2). Der Kampfbund gegen den Faschismus war eine Nebenorganisation der KPD, wurde 1930 gegründet und bestand bis zum Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft im Jahr 1933 (3). - 1931 wurde Paul Fausel wegen der Teilnahme an einer Schlägerei anlässlich einer Nazi-Versammlung von der Strafkammer Tübingen als Berufungsinstanz zu 200 Reichsmark (RM) Geldstrafe verurteilt (4).

Anfang 1933 begann er mit einer Tätigkeit als Bauhilfsarbeiter in einem Nürtinger Baugeschäft (4). Im Februar 1933 forderte ihn der damalige Nürtinger Kommunistenführer Ludwig Knauss auf, für die Gruppenführer einen Unterrichtskurs in der Handhabung des Militärgewehrs 98 abzuhalten. So kam es, dass Paul Fausel im Anschluss an eine kommunistische Versammlung im Gasthaus Traube, dem Verkehrslokal der Nürtinger Kommunisten, die Kampfbundgruppenführer und sonstigen Funktionäre zurückhielt, um sie im Nebenzimmer zu versammeln. Um strengste Geheimhaltung mahnend, teilte er ihnen mit, dass er am nächsten Tag im Waldheim eine Einweisung in die Benutzung des Militärgewehrs 98 abhalte. Diese Instruktion fand auch statt, zudem informierte Paul Fausel die anwesenden Genossen über den Umgang mit Sprengstoff  (5/171).

Hintergrundinformationen zu diesen notwendig gewordenen Einweisungen liefert die Historikerin Petra Garski-Hoffmann im Heimatbuch „Nürtingen 1918 – 1950“ wie folgt: „Für Fausel und seine Genossen stellten die Vorbereitungen eine notwendige Reaktion auf die zunehmende Bewaffnung der Nationalsozialisten da. Laut Fausel war es der Bevölkerung und den Behörden bekannt, dass die militärischen Organisationen der NSDAP bewaffnet wurden. Im Kreis Nürtingen fanden militärische Übungen von SA und SS statt“. Für die hiesigen Kommunisten war deshalb Anfang 1933 „klar ersichtlich, daß die faschistischen Verbände auf ihre nationale Erhebung hinarbeiteten“. Um gegebenfalls auch Waffen gegen „die faschistischen Verbände einsetzen zu können“, mussten nun die „jungen nicht ausgebildeten Arbeiter“ in die Handhabung von Waffen unterwiesen werden (5/171f).

Am 3. April 1933 wurde Paul Fausel aufgrund politischer Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus festgenommen und ins so genannte Schutzhaftlager, dem KZ auf dem Heuberg, gebracht. Von dort aus kam er am 9. September 1933 in Untersuchungshaft (6). Er sagte nach dem Krieg: „Ich wurde beschuldigt, ein Verbrechen der Vorbereitung zum Hochverrat begangen zu haben. Gleichzeitig wurde ich beschuldigt, Beihilfe zu einem Sprengstoffverbrechen begangen zu haben. Am 1. 11. 1933 wurde ich von dem Sondergericht Stuttgart wegen Beihilfe zu einem Verbrechen gegen das Sprengstoffgesetz verurteilt. Bei der Verhandlung ... wurde von dem Gericht unterstellt, dass ohne mein Wissen und meine Einwilligung der Sprengstoffanschlag nicht ausgeführt worden wäre. Tatsächlich habe ich von dem Sprengstoffanschlag keine Kenntnis gehabt. Ich wurde bestraft, weil die Täter Angehörige des Kampfbundes gegen den Faschismus waren und ich Leiter der Organisation war.“

An diesem Sprengstoffanschlag, der als „Raidwanger Sprengstoffanschlag“ überliefert ist, waren Nürtinger Kommunisten und Mitglieder des Kampfbundes gegen den Faschismus beteiligt. Um zu verhindern, dass in Raidwangen ein arbeitsloser Sympathisant der KPD mit seiner kinderreichen Familie in einen ausrangierten Eisenbahnwagen umsiedeln musste, sprengten sie zuvor den Wagen. Petra Garski-Hoffmann bewertet das daraufhin ergangene Urteil im Nürtinger Heimatbuch von 2011 folgendermaßen: „Obwohl sich die Tat noch vor der Machtergreifung ereignet hatte und der verursachte Schaden äußerst gering war, ... wurden die Täter und ihre Helfer 1933 drakonisch bestraft“(5/183f).  

Paul Fausel gehörte zu denen, die am 20. Dezember 1933 auch noch vom „Oberlandesgericht Stuttgart wegen Vorbereitung zum Hochverrat verurteilt“ wurden (5/184). Dazu sein Kommentar nach der NS-Zeit: „Ein zweites Mal wurde ich wegen Vorbereitung zum Hochverrat vom Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart zu 2 Jahren 2 Monaten Gefängnis verurteilt. ... Die erkannten Strafen wurden zu einer Gesamtstrafe von 2 Jahren 9 Monaten Zuchthaus zusammengefasst. Die Strafe hatte ich im Juli 1936 verbüßt“ (4).

Aufgrund politischer Verfolgung saß Paul Fausel insgesamt zwei Jahre und neun Monate im Zuchthaus Ludwigsburg, zuvor sechs Monate im KZ Heuberg (7), als er am 12. Juli 1936 aus der Haft nach Hause kam (8). Im August 1939 wurde er zum Wehrdienst eingezogen (1).  Wo er als Soldat eingesetzt war, ist nicht bekannt.

Nach dem Krieg wurde Paul Fausel beim Amtsgericht Nürtingen als Justiz-Oberwachtmeister im Gerichtsgefängnis angestellt (9). Im Juli 1947 erkannte die Landesbezirksstelle für Wiedergutmachung den Freiheitsentzug während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft aus politischen Gründen an und notierte: „Durch diese Verfolgungen entstanden ihm in seinem wirtschaftlichen Fortkommen nicht nur unwesentliche Nachteile“ (10). Im Rahmen der Wiedergutmachung erhielt Paul Fausel eine entsprechende Entschädigung (11). Auch wurde die Tilgung seiner damaligen Strafen aus dem Strafregister veranlasst (12). Im Juli 1957 erlitt er einen Schlaganfall, an dem er wenige Tage später starb (13).

  • addQuellen

    1. StAL EL 350 I Bü 3455, Blatt 51
    2. ebenda, Blatt 123
    3. H.A. Winkler, Der Weg in die Katastrophe, Arbeiter und Arbeiterbewegung in der Weimarer Republik 1930 – 1933, Bonn 1990, ISBN 3-8012-0095-7, S. 311
    4. StAL EL 350 I Bü 3455, Blatt 1/5
    5. Nürtingen 1918 – 1950, Hrsg. R. Tietzen, Verlag Sindlinger-Burchartz, Nürtingen/ Frickenhausen, 2011, ISBN 978-3-928812-58-0
    6. StAL EL 350 I Bü 3455, Blatt 123
    7. ebenda, Blatt 1
    8. ebenda, Blatt 1/1
    9. ebenda, Blatt 122
    10. ebenda, Blatt 7
    11. ebenda, Blatt 10
    12. ebenda, Blatt 1/4
    13. ebenda, Blatt 53