Karl Gerber: ‬KZ Überlebender‭ ‬,‭ ‬Chronist und Künstler

Karl Gerber

von Barbara Dürr, Juli 2016

 

Herkunft und Politisierung

Karl Gerber wurde am‭ ‬11.Juli‭ ‬1906‭ ‬in Nürtingen geboren.‭ ‬Sein Vater war‭ ‬Rotgerber,‭ ‬daher war der‭ ‬Lebensunterhalt‭ ‬für die Familie in Kindheit und Jugend Karl Gerbers kärglich.‭ ‬Er‭ ‬schloss sich der Kommunistischen Partei an und machte‭ ‬die Bildungsarbeit der Parteifreunde zu seiner Aufgabe.‭

Bei der Reichstagswahl am‭ ‬5.‭ ‬März‭ ‬1933‭ ‬erhielt die kommunistische Partei in Nürtingen‭ ‬21,4‭ ‬%‭ ‬der Stimmen,‭ ‬doch dann schlug Hitlers Machtapparat zu.‭

Willkür und Tyrannei

In der Nacht vom‭ ‬10.‭ ‬auf den‭ ‬11.‭ ‬März‭  ‬ wurden die‭ ‬ Kommunisten,‭ ‬Karl Gerber,‭ ‬Werner Gross,‭ ‬Gustav Diem und Hermann Berg von der ersten Verhaftungswelle erfasst.‭ ‬Andere wurden später festgenommen.‭ ‬Man brachte sie‭ ‬in‭ ‬das erste württembergischen‭ KZ‭ ‬Heuberg auf der Schwäbischen Alb.‭

Nach‭ ‬ seiner‭ ‬ Entlassung‭ ‬im Herbst‭ ‬1933‭ ‬trat Karl Gerber‭ ‬offiziell aus der KPD aus,‭  ‬hielt aber weiter‭ ‬engen Kontakt zu den Parteifreunden.‭ ‬Er‭ ‬ gründete‭ ‬eine Familie‭ ‬mit Emilie‭ ‬Haug‭ ‬aus Neuffen,‭ ‬im Jahr‭ ‬1937‭ ‬kam der Sohn‭ ‬ Walter‭ ‬auf die Welt.‭ ‬Im‭ ‬ November‭ ‬1939‭ ‬wurde‭ ‬Karl Gerber‭ ‬wieder‭ ‬ eingesperrt,‭ ‬über Wochen in Einzelhaft‭ ‬im Gefängnis in Esslingen‭ ‬Verhören unterzogen.‭ ‬Von dort‭ ‬ kam er‭ ‬in die gefürchtete‭ „‬Büchsenschmiere‭“ ‬in Stuttgart,‭ ‬um schließlich in das‭ „‬Schutzhaftlager Welzheim‭“‬ überführt‭ ‬ zu werden.

Nach einem Jahr‭ ‬ wurde‭ ‬er‭ ‬als‭ „‬Politischer‭“ ‬in das‭  ‬KZ Dachau gebracht,‭ ‬ dann in das‭ ‬ Männerlager des KZ Ravensbrück‭ ‬transportiert‭ ‬und schließlich‭  ‬Mitte Januar‭ ‬1945‭ ‬in‭ ‬das‭ ‬Vernichtungslager‭ ‬ Auschwitz-Birkenau,‭ ‬überstellt‭ ‬ zur‭ „‬Bewährungsdivision‭“  ‬Dirlewanger.‭ ‬Nach der Befreiung‭ ‬des KZ‭ ‬durch die Rote Armee‭ ‬kam‭ ‬er‭ ‬in russische Kriegsgefangenschaft.

Zum Sterben krank,‭ ‬entkommen aus‭ ‬der‭ ‬Gefangenschaft,‭ ‬schlug er sich‭ ‬im Herbst‭ ‬1945‭ ‬durch nach‭ ‬Hause,‭ ‬wo selbst seine Frau‭ ‬ihn‭ ‬nicht mehr erkannte,‭ ‬der er in hohem Maße verdankte,‭  ‬dass er überhaupt noch lebte.
 

Zeitzeuge und Chronist

Nach seiner Heimkehr musste‭ ‬Karl Gerber‭ ‬erleben,‭ ‬dass‭ ‬kaum jemand sich‭ ‬erinnern wollte,‭ ‬ wie in Nürtingen‭ ‬der Machtapparat des‭ ‬3.‭ ‬Reiches funktioniert‭ ‬hat.‭

Ernst Planck,‭ ‬Vorsitzender der Nürtinger Spruchkammer,‭ ‬sorgte dafür,‭ ‬ dass Karl Gerber als‭ ‬Mitarbeiter‭ ‬hinzugezogen wurde‭ ‬und‭ ‬an der Aufdeckung der‭ ‬systemischen Ursachen des Naziregimes‭ ‬ mitarbeiten konnte.‭ ‬Sein besonderes Augenmerk galt Firmen,‭ ‬die Zwangsarbeiter beschäftigt hatten,‭ ‬unter‭ ‬oft‭  ‬menschenunwürdigen Bedingungen.‭

Damals begann‭ ‬er mit der Niederschrift seines Lebens als Häftling‭ ‬in‭ ‬ den‭ ‬Gefängnissen und‭ ‬KZs,‭ ‬dem‭ „‬Lagerbuch‭“‬.‭ ‬In dieser Zeit entstanden‭ ‬auch‭ ‬die Zeichnungen und Gedichte,‭ ‬von denen er manche‭ ‬ seit der KZ-‭ ‬Zeit im Gedächtnis bewahrt hatte.‭

Belastet‭ ‬von dem entwürdigenden Ringen‭ ‬um Anerkennung als Geschädigter und‭ ‬um Wiedergutmachung,‭ ‬musste‭ ‬er‭ ‬darum‭ ‬kämpfen,‭ ‬seinen Lebensunterhalt verdienen zu können.‭ ‬Er‭  ‬willigte schließlich ein,‭ ‬bei der Stadt als‭ „‬Amtsbote‭“ ‬angestellt zu werden.‭

1962‭ ‬starb seine‭ ‬erste Frau.‭ ‬Er ging eine zweite Ehe ein mit Lieselotte‭ ‬Ramsauer,‭ ‬die‭ ‬ihm‭ ‬ein geschütztes Zuhause schuf.
 

Der Künstler

Nachdem er vorzeitig‭ ‬invalidisiert wurde,‭ ‬gab er sich ganz der‭ ‬Fortentwicklung seiner künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten hin.‭ ‬Es entstand ein‭ ‬Kosmos von Bleistiftzeichnungen.‭ ‬Die schwer‭ ‬zu zeichnende Silberdistel wurde zu seinem Lieblingsmotiv.‭ ‬Er schuf Gedichte,‭ ‬aus denen eine‭ ‬existentielle‭ ‬Seelenverwandtschaft mit Hölderlin spricht.‭

Seine künstlerische Produktivität hat ihm,‭ ‬zu seiner eigenen Verwunderung,‭ ‬öffentliche‭ ‬Anerkennung verschafft.

Karl Gerber starb‭ ‬1983‭ ‬im Alter von‭ ‬77‭ ‬Jahren.

Vortrag von Angela Wagner-Gnan 1994: Einführung in eine Ausstellung mit Bildern von Karl Gerber

 

Nur Einen Sommer gönnt, ihr Gewaltigen!

Und einen Herbst zu reifem Gesange mir,

Daß williger mein Herz, vom süßen

Spiele gesättiget, dann mir sterbe.

 

Ich beginne die Einführung in diese Ausstellung mit Hölderlins "An die Parzen" nicht zufällig. Karl Gerbers künstlerisches Werk entstand hauptsächlich in einem späten Lebensabschnitt. Er hat sich dem großen Dichter seiner Heimatstadt nahe gefühlt; in seinen Gedichten finden wir entsprechende Anklänge, viele sind dem dichterischen Vorbild gewidmet. Mit Hölderlin verband ihn eine große und vielfach gebrochene, unglückliche Liebe: zu seiner Stadt Nürtingen.

 

Karl Gerber starb am 24. Februar 1983 im Alter von 77 Jahren nach einem Leben, das von Härte und Entbehrung, ja Erniedrigung gekennzeichnet war. Er hinterließ Hunderte von Gedichten und Tausende von Zeichnungen, graphische, archäologische und geologische Sammlungen, ein Haus, bis unters Dach angefüllt mit Büchern, Geschichte, Kunst.

 

Für Karl Gerber, der in kleinen Verhältnissen aufwuchs, dem Bildung nicht in den Schoß gelegt wurde und den das Privileg der höheren Schulen verwehrt war, waren Kunst und Kultur mehr als nur Mittel des Ausdrucks, sie waren ihm lebenswichtig und überlebenswichtig. Seine ersten Gedichte entstanden im Konzentrationslager; zu zeichnen begann der Sechzigjährige nach einer schweren Operation.

 

 

Karl Gerber wurde 1906 in Nürtingen geboren. Aus einer kinder­reichen Familie stammend, der Vater ein kleiner Arbeiter, mußte er schon früh arbeiten und Geld verdienen. Zu dieser Zeit betrug der Stundenlohn eines ungelernten Arbeiters 50 bis 60 Pfennig, ein Pfund Fleisch kostete mehr als eine Mark. Gerber arbeitete als Metallarbeiter, Färber und schließlich als Angestellter in einem Konsumbetrieb. Es war die Zeit nach dem verlorenen Ersten Welt­krieg, gekennzeichnet durch Inflation, Massenarbeitslosigkeit und Zukunftsangst. In Nürtingen erhielten die Parteien der Arbeiterbewegung, KPD und SPD, starken Zulauf.

 

Karl Gerber wuchs in die marxistische Bewegung mit den Fragen eines lesenden Arbeiters. Er, der davon geträumt hatte, Lehrer zu werden, absolvierte nun an der Arbeitervolkshochschule Comburg eine Art Ersatzstudium. Er erhielt Impulse für ein intensives Studium der marxistischen Philosophie, der Geschichte, der Literatur und der Kunst. Er  empfand, mit Bertold Brecht gesprochen, das "erregende Vergnügen des begreifenden Verstands''.

 

Zurück in Nürtingen übernahm er den Vertrieb der "Universum Bibliothek'', der Zeitschrift "Linkskurve", entwickelte und gestaltete zusanmen mit Werner Groß, Ludwig Knauss und Eugen Maier, dem Bildhauer, Bildungs- und Kulturarbeit. Er hatte einen ausführlichen Briefwechsel mit den hervorragenden Vertretern der sozialistischen Literatur und Politik dieser Jahre, baute sich, buchstäblich vom Munde abgespart, eine Bibliothek auf, wie man sie in einem Privathaus selten, in einem Arbeiterhaushalt wohl gar nicht findet.

 

Die Bibliothek wurde polizeilich beschlagnahmt - das war 1934.

 

 

Als Kommunist und Gegner des Nationalsozialismus, als marxistischer Intellektueller, wurde Karl Gerber zu einem Opfer der Diktatur. Zweimal wurde er verhaftet, sechs Jahre insgesamt war er in den Arbeitslagern Heuberg und Welzheim, dann in den Konzentrationslagern Dachau, Ravensbrück und Auschwitz interniert.

 

"Eine Welt für sich, ein Staat für sich - eine Ordnung ohne Rechte, in die der Mensch geworfen wurde, der nun mit all seinen Tugenden und Lastern um die nackte Existenz und das bloße Überleben kämpfte. Das ganze hinter den eisernen Gitterstäben einer terroristischen Disziplin, ein Dschungel der Verwilderung, in den von außen hineingeschossen, aus dem zu Erhängen herausgeholt, in dem vergiftet, vergast, erschlagen, zu Tode gequält, um Leben, Einfluß, Macht intrigiert, kurzum tragoedia humana in absonderlicher Weise exemplifiziert wurde. Das Böse kann allerdings Formen annehmen, daß sich die Feder sträubt, sie zu Papier zu bringen." So beschrieb Eugen Kogon das deutsche Konzentrationslager.

 

"Tagelange dem Wahnsinn nahe. Einige Male am Tage" - so lautet eine Notiz von Gerbers Hand. Er hat standgehalten. Es ging nicht allein um das physische Überleben. Den Schikanen und Mißhandlungen zu entkommen, war unmöglich. Diese Menschen hatten sich mit der Möglichkeit des Todes abgefunden. Das Gefühl, absolut aus­geliefert, nur noch eine Nummer, entindividualisiert zu sein, war die einschneidende, die in den Wahnsinn treibende Erfahrung.

 

 

Vor diesem Hintergrund kam der Kultur - der Literatur, der Musik, dem Theater, dem Gespräch, der Erinnerung, der Phantasie und dem Traum - eine ganz außergewöhnliche Rolle zu: sie allein war in der Lage, Gegenwelt zu bieten, Flucht, Ablenkung, Selbstvergewisserung, Hoffnung zugleich: die unzerstörbare Identität des Menschen.

 

Vor dem psychischen Zerbrechen hat Karl Gerber die Lyrik bewahrt, das, was er von Hölderlin, Rilke, Brecht, George, im Kopf hatte. Seine ersten Gedichte entstanden so - im Konzentrationslager:

 

Dachau

Deinem kerker geht die Zeit vorbei

du bleibst

der du bist

und wenn du wartest

auf das neue kommende

dir bricht der klang entzwei.

 

Kunst im Konzentrationslager - eine Absurdität? Es gab dichtende, zeichnende, bildhauernde Häftlinge, es gab unter Lebensgefahr versteckte Lagerbibliotheken; in Dachau wurde Goethe gelesen, wurde  von Häftlingen ein Theaterstück aufgeführt. Kunst im Lager - das waren Momente der Menschlichkeit, der Unmenschlichkeit abgerungen.

 

sonne in Dachau

nie sah ich dich, Freundin,

schöner am abend,

schöner am morgen, in gold und rot,

herrlicher tönen niemals zuvor.

noch

in die Lage, die vielen tage der frage

gnadest du huldvoll das glück.

lächelst dem flirt der walke zu;

hoffnung in des kerkers nöte.

 

 

Karl  Gerber gehörte 1945 zu den Überlebenden. Er kehrte heim, mit großenErwartungen:

 

heimkehr

da war

die stunde kaum erwartet

nun stand ich scheu vor einer türe

fremd

und wartete,

geduld und willen

halb gelähmt,

daß eine hoffnung sich erfüllen möge,

das under

nur gegönnt

 

Heimat als Heilung - Hoffnung auch Friedrich Hölderlins ("und nimm und segne Du ein Leben, o Himmel der Heimat, wieder"}. Die Heimat soll die in der Fremde empfangenen Wunden heilen, jedoch: sie tut es nicht, sie stößt einen weg.

Denn: Welche Verwendung hatte eine Gesellschaft, die alle  Hände voll mit dem Wiederaufbau der Städte und Infrastrukturen zu tun hatte, für einen, der das Stigma des Opfers trug? In der Hast von Wiederaufbau und Wirtschaftswunder war für Zuhören und Aufarbeiten keine Zeit.

 

 

''Vergangenheitsfixierung" wurde im Nachkriegsdeutschland den überlebenden Lagerhäftlingen vorgeworfen. Der Schriftsteller Jean Amery antwortete darauf 1967:

 

Es war für einmal vorbei. Es ist noch immer nicht vorbei. Ich baumle noch immer, zweiundzwanzig Jahre danach, mit ausgerenkten Armen über dem Boden, keuche und bezichtige mich. Da gibt es kein Verdrängen. Verdrängt man denn ein Feuermal? Man mag es von kosmetischen Chirurgen wegoperieren lassen, aber die an seine Stelle verpflanzte Haut ist nicht die Haut, in der einem Menschen wohl sein kann."

 

So war Karl Gerber entwurzelt, "ein Fremder im eigenen Haus".

 

10 mal weniger als andere

und nur selbst zu sein und eigen

das bringt mich an wenigsten in Gefahr

 

notierte er in dieser Zeit. In seiner Gesundheit schwer beeinträchtigt, fand er Arbeit als Amtsbote bei der Stadt. Er dichtete, er schrieb ein Buch, er nahm seine früheren Studien wieder auf, trug eine neue Bibliothek zusammen. Das Trauma Konzentrationslager suchte er, schreibend und zeichnend, in seinem "Ravensbrück-Zyklus'' zu verarbeiten. Nur so konnte er die in seinem Gedächtnis eingebrannten Folterszenen bewältigen.

 

 

Noch einmal sollte er in Gefahr schweben, als er sich - Spätfolgen der erlittenen Quälereien - 1966 einer schweren Operation unterziehen mußte, in deren Folge er invalid wurde.

 

Von diesem Tiefpunkt aus begann sein Aufbruch, sein neues Leben als Künstler. Zurückgezogen, mit sich selbst alleingelassen, entwickelte Gerber eine neue Ausdrucksform. Er zeichnete, zögernd erst, immer freier, leichter, ausdrucksstärker, dann geradezu obsessiv. Er wanderte durch seine Heimat und zeichnete Landschaft, Natur, Blumen, Bäume und alte Häuser, inmer wieder aber die verborgenen Winkel seiner Stadt. Lernbegierig war er mit seinen sechzig Jahren. Er besuchte die Aktzeichenklasse der Kunstschule, übte sich im Figurativen. Vom Abbruch des Nürtinger Zementwerks verfertigte er hunderte von Zeichnungen - ein Dokument der Stadtgeschichte. Er arbeitete mit Bleistift, Buntstift und Kuli, mit Rötel, Kreide, Kohle, Aquarellfarben und Drucktechniken. Jeden Tag war er mit der Mappe unterwegs, angespannt, aktiv, produktiv, Mehr als 5000 Zeichnungen entstanden in der ihm verbleibenden kurzen Lebensspanne.

 

 

Gerber sah die Natur belebt. Seine Bilder sind Heimatmalerei, einfach jedoch nur für den ersten oberflächlichen Blick. Seine Kunst hatte einen ausgeprägten Eigensinn: Widerstand gegen Gewalt, Standhalten gegen die Entwurzelung, Festhalten an der Heimat und der Freude an der Schöpfung.

 

Seine Motive spiegeln den zähen Kampf um die Hoffnung wieder: die Bäume, fast immer entlaubt, filigran, unendlich in ihrer Struktur und Lebendigkeit. Verwelkte Sonnenblumen, wie sie nach den ersten herbstlichen Frostnächten aussehen, im Übergang vom Leben zum Tod, Symbole für Fülle und Vergänglichkeit zugleich, Disteln voller verborgener Formen, Bilder der Dornenkrone, stehen für die Vertreibung aus dem Paradies, aber auch für die Widerstands­fähigkeit des Lebens.

 

 

"Jedes Talent" schrieb PS Schmidt im Vorwort von Gerbers 1974 erschienenen Lyrikbands "findet den Weg zu sich selbst - mal leichtfüßig schon in der Jugend, mal zögernd oder eruptiv erst im Alter, wenn die dornigen Stationen des Lebens das eigene Bewußt­sein geschärft haben und die inneren Stimmen über das Auge, das Wort oder die Hand ungehindert nach außen drängen."

 

K.H. Türk würdigte 1981 in der Eröffnungsrede zu Gerbers letzter Ausstellung in Nürtingen Sensibilität und Charakter im Ausdruck des Künstlers, die darin sich manifestierende geistige Individualität.

 

Karl Gerber war ein ausgeprägter Individualist, "eigenwillig" im Wortsinn. Er hat dem Schicksal sein Leben, seine Kunst, seinen "Herbst zum reifen Gesange" buchstäblich abgetrotzt. Er war ein Bürger unserer Stadt und ist Bestandteil unserer Geschichte, im Guten und im Schlechten. Und er hat uns mit seinen Gedichten und Bildern eine Botschaft hinterlassen: die Kunst ist eine ungeheure Kraft des Geistes und des Willens; sie kann Identität verleihen und Integrität. Die Diktatur kann Menschen töten, nicht aber den kreativen Impuls. Der künstlerisch produktive Mensch kann Wider­sprüche versöhnen, Zerissenheit überwinden, seinem Leben Rückhalt und Würde verleihen.