Erst war er Opfer, später Richter

Ernst Planck musste 1933 von der Prüfungsvorbereitung weg ins Konzentrationslager Heuberg, weil er Kommunist war.

1907 in Stuttgart geboren, kam Ernst Planck nach dem frühen Tod seines Vaters 1913 nach Nürtingen. Mit der Oberamtsstadt Nürtingen waren die väterlichen Vorfahren seit über 200 Jahren verbunden: Ernst Planck ist der Ur-Ur-Urenkel des ab 1750 amtierenden Stadtschreibers Georg Jakob Planck und damit Teil einer Familie, die viele Beamte und Wissenschaftler hervorgebracht hat.

Früh übertrug sich die politische Leidenschaft seiner Mutter Paula (erste Nürtinger Gemeinderätin) auf ihn. Zunächst Mitglied im Republikanischen Jugendbund, drängte es ihn bald nach links, von wo ihm der einzig beachtliche Widerstand gegen „die Rechte“ zu kommen schien. Er wurde Mitglied der KPD.

Nach dem ersten juristischen Staatsexamen war er ab 1930 Referendar beim Amtsgericht Nürtingen. Dort sah man die politischen Aktivitäten des recht begabten Referendars äußerst kritisch. Trotz missbilligter Teilnahme an kommunistischen Veranstaltungen sollte er vom Justizministerium aus die Möglichkeit zum Abschluss seiner Ausbildung erhalten. Es kam anders. Am 30. Januar 1933 wurde Hitler Reichskanzler, am 28. Februar brannte der Reichstag. Am selben Tag erließ der Reichspräsident die „Verordnung zum Schutz von Volk und Staat … zur Abwehr kommunistischer staatsgefährdender Gewaltakte“, welche die Grundrechte außer Kraft setzte. Ernst Planck wurde am 20. März 1933 in das neu eingerichtete Konzentrationslager Heuberg verbracht.

Am 7. November 1933 wurde er entlassen. Ohne Berufsabschluss, die Schreibmaschine beschlagnahmt, kam er ab Juni 1934 als eine Art Hilfsarbeiter in einem Stuttgarter Anwaltsbüro unter - mit einem Lohn, der kaum über die Kosten der Bahnfahrkarte nach Stuttgart hinausging. Er nahm wieder Kontakt zu der befreundeten Familie Knauß auf, die nach Frankreich emigriert war, und reiste, trotz schwieriger werdender Grenzübertritte, zu Besuchen nach Frankreich. Dies hatte Postüberwachung zur Folge.

Die Entnazifizierung und der Versuch, „den Ereignissen gerecht zu werden“

Ende 1942 wurde Ernst Planck zum Militärdienst einberufen, kehrte aber im Sommer 1945 zurück. Nun konnte er als Amtsanwalt arbeiten und holte im Frühjahr 1946 das zweite Staatsexamen nach. Zunächst als Staatsanwalt eingesetzt, wurde er alsbald für die Entnazifizierung als Spruchkammervorsitzender dienstverpflichtet. Zahlreiche Urteile mit Begründungen von ihm sind archiviert. Sein Ziel war, den Ereignissen gerecht zu werden, nicht zuzulassen, dass an den Schaltstellen sitzende Nationalsozialisten und Amtsträger oder gut mit dem Regime kooperierende und profitierende Unternehmer ihre Verantwortung unehrlich und feige auf andere abschieben. Das gelang nur teilweise, denn die politischen Ziele änderten sich: Die Wirtschaft sollte wieder zum Laufen kommen, dafür brauchte man möglichst rasch die alten Profis, die jedoch überwiegend durch NS-Mitarbeit belastet waren. Für Ernst Planck war es schwer erträglich, dass dadurch immer mehr Beschuldigte am Ende kaum belangt wurden, während andere, die sich weit weniger hatten zuschulden kommen lassen, entsprechend ihrer Verurteilung im Arbeitslager bleiben mussten.

Ab 1948 arbeitete Ernst Planck als Richter beim Landgericht, später beim Oberlandesgericht Stuttgart. Im Ruhestand blieb er weiterhin in vielfältiger Weise geistig rege, noch im hohen Alter eignete er sich PC-Kenntnisse an. Mit fast 97 Jahren starb Ernst Planck 2004 in Nürtingen.

von Annette Planck 2018